„Ja, wir haben geschlafen“ -
Karen Espelund im Interview mit FF>> MAGAZIN


Karen Eseplund








>> Generalsekretärin und FIFA-Funktionärin, das klingt nach einem Vollzeit-Job?

Karen Espelund: „Ja, das ist es immer im Fußball. Ich bin Angestellte im Verband und auch jedes Wochenende unterwegs. Aber es macht mir Spaß, sonst würde ich es nicht tun. Seit ich 17 Jahre alt geworden bin, bin ich meistens ehrenamtlich tätig gewesen. Erst seit April 1999 werde ich dafür bezahlt.


>> Wie sieht Ihr Alltag aus?

Espelund: „Ich bin auf vielen Sitzungen und reise zu den Vereinen und Verbänden in Norwegen. Dazu kümmere ich mich um die Nationalmannschaft der Männer bei den Qualifikationsspielen und fahre zu Kongressen. Deswegen verreise ich auch nicht, wenn ich mal Urlaub habe. Dann ziehe ich mich in eine Hütte an der Küste Norwegens zurück, fahre mit dem Ruderboot raus oder gehe Angeln.


>> Bleibt da während des Jahres noch Zeit für andere Hobbys?

Espelund: „Ja. Denn man kann ja nicht jeden Tag 18 Stunden arbeiten, das geht nicht. Ich lese gerne englische Krimis von Elizabeth George oder P.D. James. Und ich mache gern Skilanglauf, wenn ich in meinem Heimatort Trollheimen bei Trondheim bin.“


>> Was konkret können Sie als Generalsekretärin für den Frauenfußball in Norwegen bewirken?

Espelund: „Wir üben vom Verband sehr großen fußballpolitischen Druck aus. Wir haben uns zum Ziel gesetzt, dass jeder Verein ein Angebot für Mädchen im Alter von 10, 12 und 14 Jahren haben muss. Ich selbst bin vor allem an der strategischen Planung beteiligt. Unsere Ziele sind: Wir wollen jedes Jahr 15 Prozent Wachstum bei den Mitgliederzahlen der Mädchen erreichen und 5 Prozent bei den Jungen. Wir haben 434 Kommunen in Norwegen und wissen genau, wie viele Mädchen und Jungen in welcher Altersgruppe Fußball spielen. Jedes Jahr werden wir von den Vereinen und Verbänden über die aktuellen Zahlen informiert. Unser Programm sieht vor, dass wir jedes Jahr 70 neue Kunstrasenplätze schaffen wollen und 350 Mini-Spielfelder. Und das wird auch überprüft. Außerdem haben wir in unseren Fußballkursen pro Jahr 40.000 Teilnehmer, von denen 15 Prozent Frauen und Mädchen sind.“


>> Wird der UEFA-Cup, der ja eigentlich im Gegensatz zu den Männern eine echte Champions League ist, demnächst auf zweit- und drittplatzierte Teams ausgeweitet?

Espelund: „Nun, erstmal ist es schon ein Vorteil, dass der Frauen-Fußball seit 1. Januar Teil der Profi-Abteilung der UEFA geworden ist und nicht mehr zur Technischen Abteilung gehört. Der UEFA-Cup wird aber erst im vierten Jahr gespielt. Ich verstehe, dass es für Schweden und Deutschland nicht schnell genug vorangeht. Aber wir müssen diesen Wettbewerb erst noch professioneller gestalten, was zum Beispiel das Marketing und die Zuschauerzahlen angeht. Der Wettbewerb trägt sich finanziell noch nicht. Eine Maßnahme wird sein, dass wir vom nächsten Jahr an nur noch ein einziges Finalspiel haben werden. Wo dieses dann ausgetragen werden sollte, wird bei uns gerade diskutiert.“


>> Gerade ist die Qualifikation zur U 19-Europa-meisterschaft beendet worden. Da gab es qualitativ sehr unterschiedlich besetzte Gruppen, mit der Folge, dass es im Prinzip schwieriger ist sich zu qualifizieren, als danach Europameister zu werden. Wäre da nicht ein Setz-System dringend notwendig?

Espelund: „Ja, absolut. Beim nächsten Turnier, dessen Vorbereitung im Herbst beginnt, werden wir die Mannschaften setzen. Nach welchen Kriterien, müssen wir noch diskutieren.“


>> Welche Erwartungen haben Sie an die bevorstehende Europameisterschaft?

Espelund: „Ich weiß, dass der englische Verband sehr großen Aufwand betreibt, um für Aufmerksamkeit zu sorgen. Ich glaube, es wird ein gutes Turnier, hoffentlich auch mit guten Zuschauerzahlen. Das sportliche Niveau jedenfalls wird von Jahr zu Jahr besser.


>> Wäre es aufgrund der größeren Ausgeglichenheit der Teilnehmer nicht wieder ein zusätzlicher Anreiz für die Teams, wenn sie wie früher auch ein Spiel um Platz drei hätten?

Espelund: „Die UEFA vertritt die Politik, dass es kein Bronze-Finale gibt. Aber ich respektiere diesen Wunsch einiger Nationen.“


>> Norwegen hat bei der WM 2003 enttäuscht und war 2004 nicht bei Olympia. Hat Ihr Land die Entwicklung im Frauen-Fußball nach dem Olympiasieg 2000 verschlafen?

Espelund: „Ja, das glaube ich. Auch physisch haben wir ein bisschen geschlafen. Wir sind nur eine kleine Nation, haben also nicht so viel Auswahl wie andere. Und deshalb müssen wir, wenn wir Erfolg haben wollen, physisch 100 Prozent fit sein. Hoffentlich schaffen wir es wieder, nach oben zu kommen.
Die Konkurrenz wird jedoch immer stärker. Glücklicherweise haben wir jetzt wieder die Möglichkeit, Stipendien an Spielerinnen der Nationalmannschaft zu vergeben. Dafür stehen uns 150.000 Euro zur Verfügung. Eine Top-Spielerin wird dadurch bis zu 15.000 Euro im Jahr erhalten können. Das ist zwar nicht genug, um davon zu leben, aber das soll auch so sein. Im Gegenzug verpflichten sich diese Spielerinnen, zweimal pro Tag zu trainieren. Auch in Sachen Vermarktung der Spielerinnen hätten wir nach 2000 noch mehr machen können. Das müssen wir jetzt in der Kombination Verein und Verband unbedingt tun.“


>> Wie sieht es mit den Fernsehrechten aus?

Espelund: „Die Einschaltquoten sind immer weiter gestiegen. Schon 1995, als wir Weltmeister wurden, haben 1,3 Millionen Norweger zugeschaut. Das war schon eine tolle Zahl. Im vergangenen Jahr hat der Sender NRK drei Live-Spiele aus der Liga gezeigt. Diesen Vertrag haben wir für diese Saison so umgewandelt, dass von jedem Ligaspieltag in Magazin-Form berichtet wird. Mal schauen, wie sich das entwickelt.“


>> Zum Schluss: Wie sieht Ihr Tipp für die EM aus?

Espelund: „Natürlich ist Deutschland Favorit. Zum einen wegen der bisherigen Titel, zum anderen weil es die beste europäische Mannschaft ist. Dazu ist für mich Frankreich ein Team, das sehr stark kommt. Die Franzosen haben viele Ressourcen und betreiben eine tolle Talentförderung. Und für das Turnier wäre es gut, wenn England weit käme.“


>> Und Norwegen?

Espelund: „Da wir mit Deutschland und Frankreich in einer Gruppe sind, muss es für uns darum gehen, mit Frankreich um Platz zwei zu kämpfen. Das Halbfinale wäre schon schön.“


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